Achema 2024: Computertomographie hilft, innere Materialstrukturen von Tabletten und Katalysatoren zu optimieren
Achema 2024: Computertomographie hilft, innere Materialstrukturen von Tabletten und Katalysatoren zu optimieren
Wie müssen Tabletten, Pellets und Briketts zusammengesetzt sein, damit sie nach der Produktion beim Transport nicht zerbrechen? Wie muss ein Industriefilter im Inneren gestaltet sein, um Feststoffe besser herauszufiltern? Wie lange halten chemische Katalysatoren hohe mechanische Belastungen im Hochdruckreaktor aus? Diesen Fragen gehen Kaiserslauterer Forscher nach. Zum Einsatz kommt ein Computertomograph, der kleinste Materialstrukturen zerstörungsfrei erfasst. Die Technologie ist für verschiedene Anwendungsbereiche interessant. Auf der Prozessindustrie-Messe Achema in Frankfurt stellt das Team sie vom 10. bis 14. Juni am Forschungsstand Rheinland-Pfalz (Stand E51, Halle 6.0) vor.
Bei Tabletten wird der Wirkstoff mit Füll- und Binderstoffen (zum Beispiel Mikrokristalline Cellulose und Laktose) in eine feste Form zusammengepresst. In der Regel handelt es sich hierbei um ein sogenanntes Agglomerat, das heißt eine Mischung aus gebundenen feinen Partikeln der Wirk- und Füllstoffkomponenten. An der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau befasst sich das Forscherteam um Professor Dr. Sergiy Antonyuk vom Lehrgebiet für Mechanische Verfahrenstechnik damit. Es untersucht die mechanischen Eigenschaften einer solchen Struktur. „Dies ist zum Beispiel wichtig für die Festigkeit von Tabletten. Wir wollen wissen, wo mögliche Bruchstellen liegen sowie wann und warum es zu einem Bruch kommt“, sagt Antonyuk.
Dazu kommt ein Computertomograph (CT) zum Einsatz, mit dem die Forscher die Materialienstrukturen in hoher Auflösung erfassen können. Um das Bruchverhalten von Partikelagglomeraten zu untersuchen, nutzt die Arbeitsgruppe ein weiteres Messgerät, das während der CT-Messung im Tomographen betrieben wird. „Wir setzen die Proben mit einer sogenannten In-situ Druck-/Zug-Einheit direkt einer bestimmten Kraft aus und überprüfen, an welcher Stelle es zu einem Bruch oder Riss kommt. Wir untersuchen, wie die Zusammensetzung und die Mikrostruktur die Festigkeit beeinflussen. Dabei spielt es auch eine Rolle, wie die Komponenten im Agglomerat verteilt sind und wie die Einzelpartikel in Kontakten aneinanderhaften“, so der Professor weiter.
Wichtig ist dies beispielsweise für die Lagerung und den Transport von Tabletten. Antonyuk: „Die Bruchprozesse führen zur Abnahme der Produktqualität und verursachen die Bildung von Staub. Das heißt, die Tablette muss eine hohe Festigkeit aufweisen. Zugleich darf sie aber nicht zu stark komprimiert werden, um sich durch einen hohen Porenanteil zum Beispiel in Wasser auflösen zu können, um ihre Wirkung zu entfalten.“ Anhand der CT-Ergebnisse arbeiten die Forscher daran, die innere Struktur solcher Agglomerate zu optimieren.
CT-Technologie eignet sich ebenso für Katalysatoren und Filter
Darüber hinaus lassen sich chemische Katalysatoren mit dem Gerät untersuchen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob und an welchen Stellen Katalysatorpartikel brechen können. „Bei vielen industriellen Prozessen werden sie in Reaktoren hohen Belastungen ausgesetzt und können durch Bruchprozesse mit der Zeit ihre Funktion verlieren oder den Durchströmungswiderstand erhöhen“, erläutert Antonyuk. Die Ingenieure prüfen unter anderem, inwieweit eine mechanische Beanspruchung die Funktion von Katalysatoren beeinträchtigt und wann sie ausgetauscht werden müssen.
Auch bestimmte Filtermaterialien nimmt die Arbeitsgruppe mit der Anlage unter die Lupe. Diese finden in der Industrie beispielsweise Verwendung, um Feststoffe aus Fluiden herauszufiltern. „Bei solchen Kompositfiltern, welche aus mehreren Materialien bestehen, schauen wir uns die genaue Anordnung an“, sagt Antonyuk weiter. Aufgebaut sind sie wie folgt: Auf einem Gewebe ist eine Membran aufgebracht, die über Klebepunkte daran haftet. „Man kann sich das wie bei einer wasserabweisenden Funktionsjacke vorstellen, nur umgekehrt“, nennt er als Vergleich. „Das Wasser dringt durch das Filtermaterial, es lässt aber wegen der Membran keine Luft hindurch.“ Diese Art der mechanischen Entfeuchtung findet in der Industrie Verwendung, um feste Wertstoffe herauszufiltern. Der Vorteil dabei ist, dass sich bei diesem Prozess im Vergleich zu anderen Verfahren Energie einsparen lässt. Im Fokus hat das Team die Klebepunkte. Antonyuk: „Wir untersuchen, wie sie über die Fläche verteilt sind und wie das den Filtrationsvorgang und die mechanische Stabilität des Filtermaterials im Betrieb einer Filteranlage beeinflusst.“
Mithilfe des Geräts lässt sich auch die Wirksamkeit beziehungsweise Schutzwirkung von medizinischen oder FFP-Masken untersuchen. „Dazu prüfen wir zunächst die Filtereffizienz für unterschiedliche Trageszenarien mit einem Test-Aerosol, einem Gemisch aus Gas oder feiner Flüssigkeit, an einem Prüfkopf“, so der Professor. Im Anschluss lässt sich mit den CT-Aufnahmen sowohl ein 3D-Modell des gesamten Prüfkopfs mit Maske erstellen als auch die Mikrostruktur der Masken analysieren. Diese Daten fließen in Berechnungen der Strömung beim Atmungsvorgang ein. Ziel ist es, die Filtereffizienz und Alterung der Masken zu optimieren.
Über die technischen Details des Computertomographen
Der Computertomograph (CT) TomoScope L der Firma Werth Messtechnik GmbH ist aufgrund seiner 400 Millimeter großen, hochauflösenden 4K-Flächendetektor und zwei Röntgenröhren sehr flexibel einsetzbar, um unterschiedliche Probengrößen (< 300 Millimeter) und Materialiendichten zu untersuchen. Das Messgerät ermöglicht diese Flexibilität durch eine Mikrofokusröhre mit 240 Kilovolt und eine Nanofokusröhre mit 160 Kilovolt, die je nach Probeneigenschaften genutzt werden können. Die maximale nachgewiesene Strukturauflösung des Messgerätes beträgt einen Mikrometer bei einer minimalen Voxelgröße von 500 Nanometern.
Die Anschaffung der CT-Anlage wurde im Rahmen eines Forschungsgroßgeräte-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Für das Gerät gibt es an der RPTU in Kaiserslautern seit 2021 ein eigenes Labor, das Dr. Kai Nikolaus vom Lehrgebiet für Mechanische Verfahrenstechnik leitet. Mithilfe der CT-Anlage lassen sich zudem Formen und Größenverteilungen von Partikeln im unteren Mikrometer-Bereich, Oberflächenstrukturen von Bauteilen, aber auch biologische Strukturen aus menschlichen Bindegewebezellen genau analysieren.
Auf der Achema präsentiert das Team um Antonyuk verschiedene computertomographische Aufnahmen und gibt so Einblick in Mikrostrukturen und Bruchvorgänge von unterschiedlichen Materialien.
RPTU | Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
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