RPTU – Landwirtschaft der Zukunft: Studie zeigt enormes Potenzial von Permakultur
Landwirtschaft der Zukunft: Studie zeigt enormes Potenzial von Permakultur
Die Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) hat in einer gemeinsamen Studie mit der BOKU University erstmals im größeren Umfang gezeigt, dass Permakultur in der Landwirtschaft eine deutliche Verbesserung für Biodiversität, Bodenqualität und Kohlenstoffspeicherung mit sich bringt. Angesichts der Herausforderungen von Klimawandel und Artensterben könnte diese Art der Kultivierung demnach eine echte Alternative für den konventionellen Anbau sein – und Umweltschutz und ertragreiche Landwirtschaft unter einen Hut bringen.
Permakultur nutzt natürliche Kreisläufe und Ökosysteme als Vorbild. In entsprechend landwirtschaftlich genutzten Flächen werden Lebensmittel in einem möglichst selbstregulierenden, naturnahen und vielfältigen Agrar-Ökosystem produziert. Dafür wird beispielsweise die Nutztierhaltung in den Anbau von Feldfrüchten integriert oder die Vielfalt an Nützlingen gefördert, um etwa auf mineralischen Dünger oder Pestizide verzichten zu können. Forschende der RPTU und der BOKU haben in einer aktuellen Studie, die im Fachmagazin „Communications Earth & Environment“ erschienen ist, nun erstmals umfangreich untersucht, welche Auswirkungen dieses Planungs- und Managementkonzept auf die Umwelt hat. „Obwohl Permakultur-Projekte schon seit den 1970er-Jahren auf der ganzen Welt entstanden sind, gibt es erstaunlich wenige wissenschaftliche Begleituntersuchungen dazu“, erklärt Umweltwissenschaftler Julius Reiff von der RPTU den Hintergrund der Studie. „Wir wollten diese Lücke schließen und erforschen, ob Permakultur in der Praxis tatsächlich die oft propagierten positiven Auswirkungen auf das Agrarökosystem hat.“
Permakultur: Deutlicher Vorteil für Biodiversität und Bodenqualität
Insgesamt neun landwirtschaftliche Betriebe in Rheinland-Pfalz, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und in Luxemburg hat das Forschungsteam unter die Lupe genommen. Auf den Permakultur-Flächen dieser Betriebe und auf jeweils einem Vergleichsfeld der dort ansonsten vorherrschenden Landwirtschaft haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Indikatoren zu Biodiversität und Bodenqualität untersucht. Dazu wurden Bodenproben von den Flächen im Labor auf deren Humus-/Kohlenstoffgehalt, auf Mikro- und Makronährstoffe und die Aktivität der Bodenmikroorganismen analysiert. Als Maß für die Biodiversität wurde die Artenvielfalt der Regenwürmer, Vögel und Pflanzen ermittelt.
Auf den Permakultur-Flächen war die Bodenqualität und die Biodiversität im Vergleich zu den umgebenden konventionellen Landwirtschaftsflächen als auch im Vergleich zu den Literaturwerten für herkömmliche Landwirtschaft deutlich erhöht, so das Ergebnis der Studie. Der Kohlenstoff- und Humusgehalt der Permakultur-Böden war in etwa vergleichbar mit den Werten im Grasland in Deutschland. Grasland gilt als bedeutende Referenz, da es in Deutschland von den land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen typischerweise die höchsten Humusgehalte aufweist.
Ein hoher Humusgehalt im Boden ist wichtig für die Nährstoff- und Wasserspeicherung – in Zeiten des Klimawandels ein entscheidender Faktor, um beispielsweise Trockenperioden zu überdauern. Obwohl auf den Permakultur-Flächen keine Mineraldünger eingesetzt wurden, wiesen deren Böden höhere Bodennährstoffgehalte auf. Ein Pluspunkt auch für die menschliche Gesundheit: „Die höheren Nährstoffgehalte im Boden lassen vermuten, dass diese auch in den produzierten Feldfrüchten höher sind“, sagt Julius Reiff.
Neben der Bodenqualität profitiert die Biodiversität: Die Forschenden haben auf den Permakultur-Flächen dreimal mehr Vogelarten gefunden als auf den Vergleichsflächen der dort regional vorherrschenden Landwirtschaft. Auch machten sie dreimal mehr Regenwürmer aus und eine höhere Zahl an Bodenmikroorganismen, die für Zersetzung und Nährstoffumwandlung im Boden eine essenzielle Rolle spielen. Im Vergleich zu konventionellen Flächen ermittelten die Forschenden auf den Permakultur-Flächen die dreifache Anzahl an Pflanzenarten. Diese sind ein guter Indikator für die gesamte Biodiversität eines Ökosystems und zugleich die Nahrungsgrundlage für wichtige Artengruppen wie Bestäuber oder die natürlichen Gegenspieler von Schädlingen.
Ein höherer Artenreichtum entsteht auch dadurch, dass bei Permakultur in Mischkulturen und meist auch in Kombination mit Gehölzen (Agroforst) angebaut wird. Diese Pflanzen- und Strukturvielfalt wirkt attraktiv auf verschiedenste Tiergruppen. Zusätzlich ist der Verzicht von Pestiziden förderlich für die Biodiversität.
Höhere Kohlenstoffvorräte im Boden von Permakultur-Flächen lassen sich laut den Forschenden einerseits durch einen höheren Eintrag an kohlenstoffhaltiger organischer Substanz, andererseits auch durch die Wirkung des Mulchens erklären. Denn die Permakultur-Flächen werden fast ausschließlich mit Mist oder Kompost gedüngt; reduzierte Bodenbearbeitung und eine Mulchschicht verhindern ein Abtragen der obersten Bodenschicht etwa durch starke Regenfälle. Damit ist bei Permakultur-Flächen der Verlust des Kohlenstoffs aus dem Boden geringer als beim konventionellen Anbau.
Die beobachteten Verbesserungen könnten eine echte Trendwende bedeuten
Das Forschungsteam zieht ein vielversprechendes Gesamtfazit: „Permakultur scheint ökologisch die sehr viel nachhaltigere Alternative zu industrieller Landwirtschaft zu sein“, ist Julius Reiff sicher. Gleichzeitig sind die Erträge aus der Permakultur mit denen der industriellen Landwirtschaft vergleichbar, wie noch nicht veröffentlichte Daten der Forschenden zeigen. „Angesichts der Herausforderungen von Klimawandel und Artensterben würden die beobachteten Verbesserungen der Biodiversität auf größerer Fläche eine echte Trendwende bedeuten“, unterstreicht der Experte für Ökosystemanalyse, Martin Entling von der RPTU. Hoffnungsvoll stimmt auch der Phosphorgehalt, den das Team in Permakultur-Böden gefunden hat: „Ich hatte keine so hohen Phosphormengen erwartet. Pflanzen brauchen den Phosphor aus dem Boden, um wachsen zu können. Aufgrund des hohen Einsatzes von Phosphordünger in der intensiven Landwirtschaft wird Phosphor zum knappen Gut und weltweit zukünftig zum landwirtschaftlichen Hauptproblem. Ein weiteres Plus für die Permakultur“, attestiert Geoökologe Hermann Jungkunst von der RPTU. Bodenexperte Johann Zaller von der BOKU räumt ein: „Ich hätte nicht erwartet, dass Permakultur Regenwürmer und andere Bodenorganismen in diesem Ausmaß fördert. Angesichts der Bedeutung des Bodenlebens für die Abfederung von Klimaextremen sowie für die Gesundheit und den Ertrag von Nutzpflanzen sind die Ergebnisse sehr vielversprechend.”
Permakultur als Vorbild? Politik und Bildungssystem sind gefordert
Damit Permakultur im größeren Stil in die landwirtschaftliche Praxis überführt werden kann, müssten die finanziellen Anreize wie Subventionen der EU so umstrukturiert werden, dass nachhaltige Anbaumethoden gegenüber konventionellen Methoden bevorzugt werden, so die Empfehlung der Forschenden. Auch müsste das Bildungssystem für Landwirte überarbeitet werden, sodass verstärkt nachhaltigere Ansätze wie Permakultur, Agrarökologie und pestizidfreie regenerative Landwirtschaft gelehrt werden. Des Weiteren könnten Vorzeigeprojekte als lebendige Fallstudien dienen, um die Wirksamkeit dieser nachhaltigen Anbaumethoden zu demonstrieren.
Mit Permakultur scheint es möglich zu sein, Landwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz unter einen Hut zu bekommen, so die Schlussfolgerung der Forschenden. Das sei hinsichtlich der dramatischen Umweltwirkungen der konventionellen Landwirtschaft eine sehr hoffnungsvolle Erkenntnis.
Die Studie:
Julius Reiff, Hermann F. Jungkunst, Ken M. Mauser, Sophie Kampel, Sophie Regending, Verena Rösch, Johann G. Zaller, Martin H. Entling. 2024. Permaculture enhances carbon stocks, soil quality and biodiversity in Central Europe. Communications Earth & Environment, https://doi.org/10.1038/s43247-024-01405-8
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