Ludwigshafen – 25 Jahre Früh- und Neugeborenenintensivstation Däumling
Eins von zehn Babys ist ein Frühgeborenes – weltweit. In Deutschland werden jährlich rund 60.000 Kinder zu früh geboren, also zehn Prozent der Neugeborenen. Dazu kommen kranke Neugeborene. Beide Patientengruppen werden auf der vor 25 Jahren eröffneten Früh- und Neugeborenenintensivstation Däumling im St. Marienkrankenhaus versorgt.
„Die Versorgung von Frühgeborenen ist bereits seit vielen Jahren eine der Kernkompetenzen des Hauses“, sagt Marcus Wiechmann, Geschäftsführer der St. Dominikus Krankenhaus und Jugendhilfe gGmbH, Träger der Klinik. „Dabei hat unser Team auf Däumling neben hochwertiger Medizin und Pflege als wesentlichen Baustein auch die Stärkung der Familien im Fokus“, führt er weiter aus. Überleitungspflege Marienkäfer, Mamahotel, Babywatch und Marte Meo sind nur einige der Beispiele, die ihm bei der Frage einfallen, wie sich das Krankenhaus über das sonst übliche Maß engagiere.
Vor genau 25 Jahren wurde die Früh- und Neugeborenenintensivstation Däumling im St. Marienkrankenhaus als kleine Station und Dependance der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin mit sechs Plätzen nahe der Geburtshilfe etabliert: Eine wesentliche Verbesserung für Mütter und Kinder, denn so mussten kranke Neugeborene und Frühgeborene nicht mehr mit dem „Storchenwagen“ ins rund zwei Kilometer entfernte Kinderkrankenhaus in Mundenheim transportiert werden. Seitdem hat sich sehr viel verändert, die Station ist gewachsen, ist wichtiger Bestandteil des Perinatalzentrum Level 1 (Geburtszentrum höchster Qualität) und versorgt auch Extremfrühgeborene unter 500 Gramm. Ein weiterer Quantensprung war im Oktober 2005 der Bezug der neuen Räume im dritten Stock im St. Marienkrankenhaus. Diese befinden sich Tür an Tür und auf einer Ebene mit dem damals ebenfalls neu gebauten Kreißsaal und der geburtshilflichen Station. Frühgeborene und kranke Neugeborene werden seitdem auf Station Däumling versorgt. In der damals komplett neu gebauten und erweiterten Früh- und Neugeborenenintensivstation stehen elf neonatologische Intensivtherapieplätze und drei Beobachtungsplätze zur Verfügung. Die Kosten für Bau und Einrichtung beliefen sich auf eine Million Euro.
Mussten die Eltern am Anfang noch vor der Tür bleiben, sind sie heute ein wichtiger Baustein in der familienzentrierten Versorgung der Früh- und Neugeborenen und wesentliche Partner des pflegerischen und medizinischen Teams für das Gedeihen ihrer Kinder im Kontext der Familie. Dies beginnt bereits vor der Geburt und reicht über den stationären Aufenthalt der Kinder hinaus. Aber bereits von den Geburtsmedizinern wird alles dafür getan, das Kind so lange wie möglich im Bauch der Mutter zu halten, denn jeder Tag zählt für seine Entwicklung und sein Wohlbefinden. Im Perinatalzentrum im St. Marienkrankenhaus werden heute jährlich etwa 250 Frühgeborene, davon etwa 40 unter 1500 Gramm, betreut. Insgesamt werden auf Station Däumling über 300 kleine Patienten im Jahr aufgenommen.
„Wir sind besonders qualifiziert für die Behandlung von kranken Neugeborenen und besonders Frühgeborenen. Gerade die Kleinsten der Kleinen gehören in die Hände von erfahrenen Spezialisten. Es geht nicht nur darum, dass die Kinder überleben, sondern dass sie dabei auch möglichst gesund sind. Dies kann nur gelingen, wenn wir zusätzlich zu unserer Fachexpertise die Familien unterstützen und stärken, die durch die Situation sehr belastet sind“, so der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich Merz, zu der die Neonatologie gehört. Das Ziel des gesamten Teams sei das Gedeihen der Kinder ohne schwere Folgeerkrankung und die Entlassung in eine möglichst stabile Familie, so Merz. Der in den letzten Jahren immer stärkere Fokus auf die familienzentrierte Versorgung der Früh- und Neugeborenen sieht er als Alleinstellungsmerkmal in der Rhein-Neckar-Region. Das Konzept geht auf: rund 90 Prozent der Frühgeborenen unter 1500 Gramm können ohne Folgeerkrankungen entlassen werden.
„Wichtigste Änderung seit dem Start von Station Däumling ist der Wandel der Rolle der Eltern. Früher wurden sie als mögliche Keimüberträger als Gefahr gesehen. Heute spielen sie eine fundamentale Rolle und werden in alles mit einbezogen. Der tägliche Eltern-Kind-Kontakt ist sehr wichtig für die Entwicklung der Kinder“, ergänzt der Oberarzt der Neonatologie Dr. med. Paul Köhler, der Kinder und Familien seit vielen Jahren auf Station Däumling betreut. Das ganze Team steht ihnen dabei zur Seite. Besonders stolz ist er unter anderem darauf, dass auch zu Coronazeiten die Eltern auf der Früh- und Neugeborenenintensivstation ihre Kinder besuchen konnten. In den letzten 25 Jahren sind viele Kontakte gewachsen und auch zum ersten vom Däumlingteam versorgten Frühgeborenen besteht noch Kontakt. Einmal im Jahr trifft man sich beim Däumlingsfest, eine gute Gelegenheit zu sehen, wie sich die betreuten Kinder weiterentwickelt haben.
„Die Pflegekräfte haben sich für die primäre Pflege als Organisationsform innerhalb der Station entschieden. Hier erhalten die Eltern einen festen Ansprechpartner. Die primäre Pflegekraft versorgt und beobachtet das Kind und gibt wichtige Information an alle Beteiligten weiter. Sie begleitet und unterstützt die Eltern in persönlichen Gesprächen, leitet Eltern bei der eigenständigen Versorgung ihres Kindes an und bindet frühzeitig die Casemanagerin zur Stärkung der Familie und Nachsorge mit ein“, beschreibt Stationsleiterin Maike Lutz. Die vom ganzen Team getragene Marte Meo-Methode ermöglicht Eltern, Mitarbeitenden und Angehörigen schon bei den Allerkleinsten unterstützende Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten wahrzunehmen, zu trainieren, weiterzuentwickeln und in alltäglichen Interaktionen bewusster einzusetzen. Zusätzlich arbeitet eine Psychologin in der psychosozialen Elternbegleitung.
Unterstützung gibt es auch in digitaler Form: Wenn ein Baby zu früh zur Welt kommt oder krank ist, muss es oft noch Wochen oder Monate im Krankenhaus versorgt werden. Damit Eltern, Geschwisterkinder und Angehörige auch in dieser Zeit dem Kind virtuell nahe sein können, wird zusätzlich Babywatch eingesetzt. Mittels an den Bettchen befestigter Kameras bekommen die Eltern zu individuell festgelegten Uhrzeiten die Gelegenheit, ihr Baby über eine verschlüsselte Internetverbindung per Video-Livestream zu „beobachten“. „Das beruhigt den Elternteil, der gerade nicht beim Kind sein kann und auch Geschwisterkinder nehmen so das Baby im Krankenhaus als Teil der Familie wahr“, erklärt Maike Lutz.
Und es gibt auch ein zusätzliches Netzwerk zur Unterstützung, den „Däumlingsverein“. „Unser Verein besteht aus Eltern, die selbst bereits einmal ein Frühgeborenes bekommen haben, sowie Ärzten und Pflegekräften, die es sich täglich neu mit großem Engagement zum Ziel gesetzt haben, auf die besondere Situation dieser kleinen Däumlinge und deren Eltern aufmerksam zu machen sowie Kinder und Eltern zu unterstützen. Hier finden Sie Rat und Hilfe und können selbst auch andere Eltern unterstützen“, beschreibt Rainer Eickhoff, der sich hier seit vielen Jahren engagiert.
Alle diese Hilfen sind wichtig, denn Frühgeburtlichkeit, insbesondere Frühgeburtlichkeit vor der 32. Schwangerschaftswoche bedeutet für viele Eltern – und damit verbunden für die ganze Familie – eine Lebenskrise. Die oft unerwartete Konfrontation mit einem extrem kleinen Kind, die Sorge um sein Leben und seine Entwicklung sowie der oft lange Krankenhausaufenthalt von Mutter und Kind stellen eine große Belastung dar, die oft lange über den Entlassungszeitpunkt hinaus weiterwirkt. Auch wenn statistisch gesehen heute Frühgeborene ab vollendeten 24 Schwangerschaftswochen gute Überlebenschancen haben, klingt diese Information für Eltern, die ihr extrem kleines Kind im „Brutkasten“ liegen sehen, zunächst oft unglaubwürdig. Viele Gespräche mit dem Behandlungsteam helfen den ersten Schock zu überwinden, allmählich Vertrauen in die Lebenskraft des Kindes zu entwickeln, sicher im Umgang zu werden und zu verstehen, dass sie als Eltern auch im Rahmen der Versorgung ihres Kindes und den täglichen Eltern-Kind-Kontakt im Krankenhaus, eine wichtige Rolle spielen. Bei drohender Frühgeburt werden Eltern durch die Casemanagerin besucht und auf die zu erwartenden Pflegebesonderheiten eines Frühgeborenen vorbereitet. Eine spezielle Frühgeborenenpuppe, benötigte Sonden oder Atemhilfen, kleine Windeln und Kleidung sind im Gepäck und machen die Größe eines Frühgeborenen mit einem Gewicht unter 1000 Gramm begreifbar.
25 Jahre Station Däumling
Die Abteilung Neonatologie bildet gemeinsam mit der Geburtshilflichen Klinik das Perinatalzentrum Level 1 (= Geburtszentrum höchster Versorgungsstufe). Im Team arbeiten Neonatologen (Intensivmediziner für Neugeborene), Kinderärzte und Fachkräfte für pädiatrische Intensivpflege im Vollschichtsystem. Sie sind ausschließlich zuständig für Kreißsaal, Wochenstation und Intensivstation. Für externe Kliniken besteht ein Neugeborenenabholdienst. Zusätzliche Unterstützung gibt es durch eine Psychologin, die Krankenhausseelsorge, Physiotherapeuten, die Casemanagerin der Nachsorge und den „Däumlingsverein“. Die optimale Förderung der Eltern-Kind-Beziehung bei allen gesunden und kranken Neugeborenen, sowie die medizinische Versorgung auf höchstem Niveau stehen im Mittelpunkt der ganzheitlichen Betreuung von Mutter, Kind und Familie. Im gesellschaftlichen Fokus steht besonders die Versorgung der Frühgeborenen unter 1500 Gramm Geburtsgewicht. Diese kleine Patientengruppe hat einen besonders hohen Betreuungsbedarf und ihre erfolgreiche Behandlung erfordert eine hohe Expertise des Behandlungsteams.
Vor der Geburt: Die Stärkung der Eltern beginnt bereits vor der Geburt. Sofern während der Schwangerschaft kindliche Risiken (z. B. drohende Frühgeburt, Mehrlinge, Fehlbildungen) erkennbar werden, werden Beratungsgespräche von Früh- und Neugeborenenmedizinern gemeinsam mit dem Team der Geburtshilfe angeboten.
Aufenthalt in der Klinik: Neben der qualifizierten medizinischen Versorgung haben die Förderung der Eltern-Kind-Beziehung sowie die Stärkung der Elternkompetenz und die Einbindung des Frühgeborenen in den Kontext der ganzen Familie hohe Priorität und sind prägend für die Abläufe und die Atmosphäre auf Station.
- Durch die Bezugspflege haben die Eltern einen festen Ansprechpartner. Eltern können ihre Kinder rund um die Uhr besuchen und werden frühzeitig in die Pflege ihres Kindes einbezogen.
- Regelmäßiges Känguruhing, bei dem das Frühgeborene für mehrere Stunden auf dem Oberkörper der Mutter oder des Vaters ruht, fördert durch Haut zu Haut-Kontakt und die dadurch erlebte intime Nähe in besonderer Weise die Eltern-Kind-Bindung.
- Als wichtiges Element zur Entwicklungsförderung und Unterstützung der Eltern-Kind-Bindung wurde Marte Meo eingeführt. Dieses Angebot, das die Eltern in der Kommunikation bereits mit ihrem sehr kleinen Kind unterstützt, wird von vielen Eltern als sehr positiv bewertet.
- Mütter haben durch das Mamahotel auch nach der Entlassung die Möglichkeit in der Nähe ihres Kindes zu bleiben. Die freundlich eingerichteten Zimmer dienen nicht nur als Übernachtungsplatz, sondern sind auch als Rückzugsraum für die Mütter wichtig.
- Zusätzlich gibt es Unterstützung durch Gesprächsangebote von Seiten unserer Psychologin und durch die Krankenhausseelsorge.
Nach dem Klinikaufenthalt
- Die „Marienkäfer“ begleiten die Familien bereits während der Zeit, in der das Kind auf unserer Früh- und Neugeborenenintensivstation betreut wird. Dies sind Kinderkrankenschwestern, die auch nach der Entlassung aus der schützenden Station Hausbesuche machen und so dem Kind und seinen Eltern unterstützend und beratend zur Seite stehen.
- Alle Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 Gramm werden zusätzlich regelmäßig bis zum Alter von 24 Monaten in der entwicklungsneurologischen Sprechstunde nachuntersucht, um eventuelle Defizite rechtzeitig zu erkennen und Fördermaßnahmen einzuleiten.
Weitere Informationen unter https://www.st-marienkrankenhaus.de/kliniken-zentren/geburt-kinder-frauen/frueh-und-neugeborenenintensivmedizin
St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus, Katja Hein | Ludwigshafen
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