fbpx
Avada Car Dealership Logo
Lade Veranstaltungen

” JOY DENALANE ” 


Let Yourself Be Loved

Mit „Let Yourself Be Loved“ hat Joy Denalane ihr definitives Soul-Statement
aufgenommen. Das Album ist zu gleichen Teilen Selbstbehauptung,
Ahnenforschung und Hommage an die großen Klassiker des Genres. Ein
musikalisches Meisterwerk, auf dem Denalane souverän alle Stränge ihres
bisherigen Wirkens zusammenführt.
Am Anfang war die Idee. Und wenn alles immer so verführerisch leicht und einfach
wäre, wie die besten Soul-Songs klingen, dann wäre wohl auch die Umsetzung dieser
Idee nicht mehr als ein sprichwörtliches Kinderspiel gewesen: „Ich wollte ein ganz
klassisches Soul-Album machen“, sagt nämlich Joy Denalane. „Stilistisch wollte ich
mich in der Phase von Ende der Sechzigerjahre bis ungefähr 1973 bewegen.“
In diesem Satz liegt allerdings bereits einer der Gründe verborgen, weswegen wir
zunächst einige Jahre zurückspulen müssen, wenn wir die Geschichte von „Let
Yourself Be Loved“ erzählen wollen, des neuen, ganz fantastisch gewordenen Soul-
Albums von Joy Denalane. Es gibt auf diesem Album die dramatisch flirrenden
Arrangements, das Schwelgerische, die himmlischen Melodien, die man mit dieser
Musik assoziiert. Aber ohne seine wirklich lange Vorgeschichte, ohne die Probleme
auf der Suche nach dem richtigen Sound und Ausdruck, wäre es ein vollkommen
anderes Album geworden. Eines ohne Leichtigkeit womöglich.
Wer das paradox findet, werfe zunächst einen Blick auf die Soul-Ära, der Joy Denalane
hier ihre Inspiration verdankt. Die Jahre ab ungefähr 1968 markierten für das Genre
einen entscheidenden Wendepunkt und gelten heute zu Recht als die Zeit, in der Soul
sich endgültig zu einer gesellschaftspolitischen Kraft mit einiger Wirkungsmacht
entwickelte und musikalisch über sich selbst hinauswuchs. Inspiriert vom Vorbild der
Beatles und den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der Zeit, hatten viele
Soul-Stars damals keine Lust mehr, schmachtende Liebeslieder für das weiße
Vorstadt-Amerika zu singen. Es stand ihnen der Sinn nach künstlerisch
Nachhaltigerem, nach Songs, die das, was auf den Straßen passierte, in Musik
übersetzen.
Damals entstanden bis heute gültige Klassiker, die weit über das Genre hinauswiesen
und in keiner Liste der besten Alben aller Zeiten fehlen dürfen. Wenn wir also über
Werke wie „What’s Going On“, „Songs In The Key Of Life“, „Hot Buttered Soul“, „Spirit
In The Dark“ oder „Superfly“ sprechen, über Künstlerinnen und Künstler wie Marvin
Gaye, Stevie Wonder, Isaac Hayes, Aretha Franklin und Curtis Mayfield, stellt sich
natürlich eine Frage: Wie findet man in einem so krass ausgeleuchteten und
durchinterpretierten Raum die eigene Stimme, wie soll man diesem unfassbaren
Kanon noch Relevantes hinzufügen? Im Angesicht solcher Ikonen kann man sich ja
durchaus sehr klein fühlen. Auch wenn man Joy Denalane heißt. „Ich hatte als Kind
beinahe Angst vor dieser gewaltigen Stimme von Aretha Franklin“, sagt sie.
Eins ist aber auch klar: Wenn es überhaupt jemanden gibt, bei dem eine künstlerisch
überzeugende Annäherung an diese überlebensgroßen Werke nicht von vorneherein
zum Scheitern verurteilt ist, dann ist es natürlich diese Frau. Zumal sie diese Musik
und ihre Interpreten beinahe ihr gesamtes Leben lang studiert hat. „Mein Vater besaß
Hunderte von Platten“, sagt Joy. „Unser Wohnzimmer wurde von seiner Sammlung
dominiert.“
Sound war im Hause Denalane allgegenwärtig. Insbesondere die junge Joy verbrachte
unzählige Stunden vor den väterlichen Plattenregalen und kannte die meisten Werke,
auf die sie sich jetzt bezieht, noch bevor sie lesen oder schreiben konnte. Die Soul-,
Jazz- und Funk-Platten des Vaters haben sie als Person geprägt und die musikalische
Richtung definiert, in die sie sich als Künstlerin bewegen würde.
Man muss das alles unbedingt wissen, um die Bedeutung und die musikalische Kraft
von „Let Yourself Be Loved“ ergründen zu können. Indem sie sich mit dieser Tiefe und
Hingabe mit der Musik ihrer Kindheit beschäftigt, begibt sich Joy Denalane nicht nur
auf eine Suche nach ihren musikalischen Wurzeln. Es geht hier nicht um Vintage-
Simulationen alter Soul-Aufnahmen.
Sondern natürlich um: Identität. Musikalisch, politisch, persönlich. Der biografische
Aspekt, der Wunsch nach Verortung zieht sich bereits durch das Werk dieser Frau.
Gleich mit ihrem ersten Album, dem mit Gold ausgezeichneten „Mamani“, machte Joy
Denalane sich auf die Suche nach den südafrikanischen Wurzeln ihres Vaters,
bereiste dessen Heimat und arbeitete mit lokalen Musikern zusammen. „Born &
Raised“, mit dem sie Platz zwei der deutschen Charts erreichte, trug die Sehnsucht
nach einer klaren Identität dann bereits im Titel und widmete sich vor allem ihrer
großen R&B-Leidenschaft. Auf den Top-10-Alben „Maureen“ und „Gleisdreieck“
schließlich stellte Denalane sich ihrer Biografie und suchte die Orte ihrer Kindheit und
Jugend musikalisch wieder auf.
Die Idee eines klassischen Soul-Albums als Kulminationspunkt dieser besonderen
musikalischen Reise ist also im Grunde logisch und auch schon ein bisschen älter.
Noch vor ihrem letzten Album, „Gleisdreieck“, hatte Joy Denalane sich an die
Produktion begeben. Sie arbeitete damals mit Songschreibern und Produzenten im
New Yorker Stadtteil Williamsburg und hat dort bereits die Demos produziert, die jetzt
die Basis von „Let Yourself Be Loved“ bilden. Als es dann aber an die eigentliche
Produktion gehen sollte, fühlte sich irgendwas nicht richtig an. „Wir bekamen den
Sound einfach nicht hin, der mir vorschwebte“, sagt sie. „Wir waren gleichzeitig ganz
nahe dran und meilenweit vom Ziel entfernt.“
Das war ungefähr 2015, und Joy ließ das Projekt nach dieser demotivierenden
Erfahrung erst mal liegen. Diese für sie so wichtige Platte wollte sie entweder richtig
oder gar nicht machen. Sie schrieb und produzierte „Gleisdreieck“, das Leben ging
weiter, die Jahre zogen ins Land. Irgendwann aber kamen diese Fragen aus ihrem
Umfeld: „Was ist eigentlich mit diesen tollen Soul-Songs, die du damals gemacht
hast?“ Also kramte Joy die Demos noch einmal hinaus und wollte es auf einen weiteren
Versuch ankommen lassen.
Es gehört zu den großen Wahrheiten des Lebens, dass die beste Lösung oft sehr viel
näher ist, als man die ganze Zeit über gedacht hat. Joy Denalane hatte sich auf der
Suche nach geeigneten Produzenten für „Let Yourself Be Loved“ das Hirn zermartert
– und dabei nicht einmal an ihren alten Freund und musikalischen Partner Roberto Di
Gioia gedacht. Mit dem Pianisten und Produzenten hatte sie bereits seit Jahren immer
wieder in verschiedenen Zusammenhängen gearbeitet, nun erwies er sich auch hier
als eine sehr gute Wahl.
Hierzu muss man wissen, dass Di Gioia einer der profiliertesten Jazz-Pianisten der
Welt ist, der bereits mit Anfang 20 mit Leuten wie Johnny Griffin, Art Farmer und
Woody Shaw gespielt hatte. Mit amerikanischen Jazz-Musikern also, die der gleichen
Generation entstammen wie die Musiker der Motown-Hausband The Funk Brothers,
denen die klassischen Aufnahmen des Labels ihren Sound verdanken und die
ebenfalls ausnahmslos aus dem Jazz kamen.
Jedenfalls schickte Joy Denalane Di Gioia die alten Demos. „Eigentlich bat ich ihn nur,
sich das mal anzuhören“, sagt Joy, „aber eine Woche später kamen bereits fünf
Layouts, die mir die Sprache verschlagen haben.“ Hier war er nun endlich: Der
Produzent, der Joy Denalanes musikalische Vision für „Let Yourself Be Loved“
verstanden hatte.
Bevor es allerdings soweit war, fuhr Di Gioia erst mal in die Schweiz, genauer gesagt
nach Bern. Auf Ebay hatte er einen Fender Precision Bass von 1966 entdeckt, ein
ähnliches Modell, wie es der Funk-Brothers-Bassist James Jamerson auf allen
legendären Motown-Aufnahmen verwendet hatte, an denen er beteiligt war. „Ohne den
Bass würde das Album nicht klingen, wie es klingt“, sagt der Produzent.
In einem Studio in München Unterföhring entwickelte sich daraufhin ein
Produktionsprozess, den Joy Denalane als einen der besten ihrer gesamten Karriere
in Erinnerung hat. Im Wesentlichen orientierten sich Denalane, Di Gioia und der
ebenfalls beteiligte Toningenieur Jan Krause bei Arrangements und Melodien an den
ursprünglichen Kompositionen. Getrieben von Leidenschaft und der Liebe zum Soul
ließen sie maximale Sorgfalt bei der Auswahl der Musiker und der Suche nach den
richtigen Mikrofonen walten.
Das beste Beispiel für die Entwicklung, die die Songs während dieser Produktion
nahmen, ist vielleicht „Be Here In The Morning“, ein Duett mit dem wunderbaren
texanischen Soul-Sänger C.S. Armstrong. „Der Song ist eher zufällig an meinem
letzten Tag in New York entstanden“, erzählt Joy. „Wir hatten nur noch wenige Stunden
Zeit bis zu meinem Flug, also haben wir einen kleinen Reggae-Jam gemacht, mit dem
eigentlich keine besonderen Ambitionen verbunden waren. Was Roberto nun aus
diesem Song gemacht hat, konnte ich kaum fassen, als er es mir gezeigt hat.“
Auch das dramatische „Wounded Love“, das an Marvin Gaye erinnernde „The Ride“
oder der kämpferische Up-Tempo-Smasher „I Gotta Know“ sind Songs, in denen Joy
Denalane sich derart komfortabel eingerichtet hat, dass man schon bald gar nicht mehr
an die prominenten Vorbilder denkt. Und in „I Believe“, das Joy gemeinsam mit dem
US-Motown-Künstler BJ The Chicago Kid singt, der unter anderem auch für Kendrick
Lamar, Kanye West und Anderson Paak hinter dem Mikrophon stand, hört man den
James-Jamerson-Bass dann tatsächlich besonders gut.
„Ich habe diese Platte gemacht“, sagt Joy Denalane. „Es ging mir dabei um Sound und
Gefühl, um eine Suche nach mir selbst: Wo komme ich her, was macht mich aus, wenn
ich alles andere weglasse, was bleibt dann übrig?“ Vordergründig singt sie in den
meisten Songs über die Liebe in sämtlichen Facetten: die Liebe zu Freunden, Kindern,
natürlich auch romantische Liebe. Sie tut das allerdings auf ganz ähnliche Weise, wie
auch früher im Soul universell verständliche Themen eine zusätzliche
Bedeutungsebene und eine politische Aufladung erfuhren. Der Schmerz und die
Dringlichkeit, die in diesem Love-Songs liegen, legten natürlich eine Fährte zur
schwarzen Bürgerrechtsbewegung und das durch Rassismus und Marginalisierung
erlittene Leid.
Und dieses Leid ist leider international und nicht auf die vereinigten Staaten der
Sechzigerjahre begrenzt. „Ich spüre meinen eigenen Schmerz, meine Wut, meine
Verzweiflung und Verletzlichkeit sehr auf dieser Platte“, sagt Joy. „Diese Musik bringt
diese Gefühle zum Vorschein und kanalisiert sie noch mehr als die Platten davor.“
Die Erfahrungen, die Joy Denalane als schwarze Frau in der Diaspora Deutschland
gemacht hat, durchziehen „Let Yourself Be Loved“. In ihrer Kindheit und Jugend gab
es nur sehr wenige Schwarze in diesem Land und schon gar keinen Sound, der ihre
täglichen Rassismus- und Ausgrenzungserfahrungen thematisierte.
„All die Jahre bin ich gegen Mauern gerannt“, sagt Joy, „selbst im kosmopolitischen,
aufgeklärten Berlin. Die Musik hat mir Kraft gegeben und zu einer Bewusstwerdung
beigetragen. Als Kind ist das einfach nur ein komisches Gefühl, wenn man
ausgegrenzt wird, das versteht man ja noch nicht. Unsere Mutter hat uns jeden Morgen
perfekt frisiert. Die Prägung, die wir durch unsere Eltern bekommen haben, war: ‚Ihr
müsst immer besser sein als die anderen, wenn ihr ein Defizit habt, müsst ihr es
ausgleichen.‘ Inzwischen ist mir bewusst, was ich mit 20 oder 25 noch nicht wissen
konnte: Man gewöhnt sich nie an diese Verletzungen und Zurückweisungen, es wird
einfach nicht besser. Die permanente Kategorisierung macht einen wahnsinnig und
immer empfindlicher.“
Es macht die gebürtige Berlinerin, die Großkünstlerin Joy Denalane allerdings
keineswegs weniger kämpferisch: Manchmal geht es auch um die Abwesenheit von
Liebe, wenn man über Liebe singt. Nicht nur deswegen ist „Let Yourself Be Loved“ die
Essenz von Joy Denalane.

________________________________________________________________________

Am  12. August 2023 | um 19:00 Uhr | Malakoff Terasse | Malakoff Terasse 1 | 55116 Mainz

________________________________________________________________________

Tickets unter: JOY DENALANE

Nach oben