Gen Z stellt Ansprüche – gut so?
Die Generation Z – faul, verwöhnt und anspruchsvoll. So lautet zumindest das gängige Vorurteil in der aktuellen Berichterstattung über die junge Arbeitnehmenden-Generation. In einer von der Generation X und den Baby Boomern geprägten Arbeitswelt stoßen die Bedürfnisse der heutigen und zukünftigen Arbeitnehmenden auf Widerstand. Doch was steckt wirklich hinter diesen vermeintlichen Vorurteilen? Alles nur überzogene Ansprüche, oder doch gerechtfertigte Forderungen?
Mental Health im Fokus der neuen Generation
Eines ist klar, für die neue Generation der Arbeitnehmenden ist Mental Health ein zentrales Thema.1 Über 70 % der Bewerber und Bewerberinnen der Generation Z halten Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung für entscheidend, wenn es um die Attraktivität eines Unternehmens geht.2 Darüber hinaus sagen 23,3 Prozent der Auszubildenden der Gen Z, sie leben für die Arbeit. Für sie steht dabei jedoch nicht nur die Arbeit an sich im Vordergrund, sondern auch die Art und Weise, wie sie geleistet wird und welche Auswirkungen sie auf ihr Leben hat. Während die Gen Z die Vorstellung von flexiblen Arbeitsmodellen und digitalen Technologien begrüßt, um ihren Bedürfnissen nach persönlicher Freiheit und Sinnhaftigkeit gerecht zu werden, können unter anderem die ständige Erreichbarkeit und die damit verbundenen Anforderungen zu Dauerstress führen.3 Besonders in Zeiten, in denen die Mitarbeitendenbindung durch Fachkräftemangel so wichtig ist wie nie, kommt den Bedürfnissen der Generation Z als den Mitarbeitenden von heute und morgen eine starke Bedeutung zu. Das Hauptziel der Mitarbeitendenbindung und damit verbundene Maßnahmen liegt darin, talentierte, motivierte und leistungsstarke Mitarbeitende zu gewinnen und langfristig an das Unternehmen zu binden. Diese Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind von besonderem Interesse, da sie entscheidend für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sind. Eine starke Mitarbeitendenbindung reduziert die Fluktuation und damit verbundene Kosten, insbesondere in Schlüsselpositionen, verbessert das Arbeitsklima und fördert die Kontinuität in der Zusammenarbeit.4 Im Umkehrschluss kann die Vernachlässigung der psychischen Gesundheit der Mitarbeitenden zu erheblichen finanziellen Einbußen und einem Rückgang der Produktivität führen. Erhebungen zeigen, dass ungelöste psychische Belastungen am Arbeitsplatz zu einem Anstieg von Fehlzeiten, Fluktuation und geringerer Arbeitsleistung führen können.
Die stille Krise
Aktuell verursachen mentale Gesundheitsprobleme 301 Fehltage pro 100 Mitarbeitenden aufgrund von Krankheit. Über 46 % aller Mitarbeitenden sind davon betroffen, was zu einem historisch hohen ökonomischen Verlust von 9.000 € pro Mitarbeitenden pro Jahr für Unternehmen führt.5 Unternehmen, die diesen Ansprüchen nicht gerecht werden, riskieren den Verlust talentierter Mitarbeitenden. Insgesamt ist es daher von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt ernst nehmen und proaktiv Maßnahmen ergreifen, um die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu fördern. Begriffen haben das Unternehmen scheinbar noch nicht, denn:
Laut dem Deloitte Global Human Capital Report reagieren Führungskräfte auf diese Entwicklung oft mit Hilflosigkeit und Verdrängung. Sie haben nicht die geeigneten Instrumente, um mit dieser Entwicklung umzugehen, insbesondere in Bezug auf die mentale Gesundheit in neuen Arbeitsumgebungen. Die Komplexität von Mental Health bedeutet, dass Führungskräfte ohne entsprechende Schulung möglicherweise nicht in der Lage sind, angemessen darauf zu reagieren. Darüber hinaus mangelt es ihnen oft an der erforderlichen Vertraulichkeit und Anonymität.
Wie können Unternehmen dieser Situation nun entgegenwirken? Tim Kleber, CEO und Gründer von mentalport, einem zukunftsweisenden Anbieter für psychische Gesundheitsfürsorge, nimmt hierzu eine klare Position ein: „Angenommen, ein Unternehmen ist nicht nur ein Ort, an dem Arbeit erledigt wird, sondern ein Lebensraum, in dem Wohlbefinden, Produktivität und Innovation gedeihen. Unternehmen, die aktiv die Verantwortung für die mentale Gesundheit übernehmen, verwandeln sich von reaktiven Organisationen zu proaktiven Gestaltern. Damit wird die Investition in mentale Gesundheit zu einem entscheidenden Differenzierungsmerkmal. Eine radikale Umgestaltung der Unternehmenskultur ist dazu in der Regel erforderlich.” Dieser Schritt scheint 2/3 der Unternehmen in Deutschland jedoch noch immer zu überfordern.6
Mentale Gesundheitsförderung als Chance für alle
Dabei würden von einer drastischen Umgestaltung des Umgangs mit dem mentalen Wohlbefinden nicht allein die 18- bis 26-Jährigen profitieren. Eine Umfrage von Randstand zeigt, auch die Vorläufergenerationen fühlen sich gleichermaßen mit dem Thema psychische Gesundheit im Unternehmen alleingelassen. Sie wünschen sich von ihren Arbeitgebenden mehr Unterstützung.
Es scheint, als wäre die Generation Z besonders gut darin, Missstände zu benennen und konkrete Forderungen zu stellen. Forderungen, von denen jedoch alle Seiten gleichwertig profitieren können, wenn sie ernst genommen würden. Laut Randstad können Arbeitgebende und Arbeitnehmende sich in Zeiten hoher psychischer Belastung gegenseitig unterstützen.7 Fortbildungsangebote, um Führungskräfte für psychische Belastungen am Arbeitsplatz zu sensibilisieren, können ein sinnvoller Beitrag des Arbeitgebenden sein, um die Belastungen der Belegschaft zu mindern. Arbeitnehmende müssen gleichzeitig die Chance bekommen, sich selbst zu entlasten. Durch gezielte Übungen können Fertigkeiten wie das Festlegen von Grenzen – sei es bei Überstunden oder zusätzlichen Aufgaben – sowie das frühzeitige Ansprechen von Teamproblemen in offenen Gesprächen für die Mitarbeitenden äußerst wertvoll sein.8
Der Gesetzgeber hat dieses Problem längst erkannt und bereits 2013 Maßnahmen ergriffen, um die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz zu schützen. Arbeitgebende sind somit eigentlich gesetzlich dazu verpflichtet, psychosoziale Belastungsfaktoren zu erfassen und entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen einzuführen. Kommen Unternehmen dieser Verantwortung nicht nach, so können Sanktionen die Folge sein. Im nächsten Artikel dieser Serie wird eingehend betrachtet, wie genau diese Verpflichtung aussieht, welche Maßnahmen ergriffen werden müssten und welche Möglichkeiten Unternehmen haben, um die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu fokussieren.
4Beutel, M. (2024). 77 Strategien zur Mitarbeiterbindung: Entfesseln Sie das volle Potenzial Ihres Teams: Neue Wege in der Personalarbeit.
3Brück, C., & Gümbel, M. (2020). Erwerbsarbeit, Geschlecht und Entgrenzung. https://www.bmfsfj.de/resource/blob/227372/40e9d74f2a829bdb70ba3b6f44dbee92/ rueck-carsten-guembel-michael-erwerbsarbeit-geschlecht-und-entgrenzung auswirkungen-von-digitalisierung-und-flexibilisierung-auf-geschlechterverhaeltnisse und-gesundheit-data.pdf
6Haufe. (2022). Unternehmen sorgen sich zu wenig um das Wohlergehen ihrer Beschäftigten. Haufe.de News und Fachwissen. https://www.haufe.de/arbeitsschutz/gesundheit%20umwelt/psychische-belastungen-stehen-nicht-auf-der-agenda_94_558488.html
5Haufe. (2023). Studie offenbart extremen Anstieg psychischer Belastungen am Arbeitsplatz. Haufe.de News und Fachwissen. https://www.haufe.de/personal/hr%20management/psychische-gesundheit-am-arbeitsplatz/psychische-erkrankungen-von%20beschaeftigten-steigen-enorm_80_590678.html
1,7,8Randstand. (2024). Deutsche wünschen Arbeitgeber-Unterstützung für psychische Gesundheit. unternehmensfuehrung. https://www.randstad.de/ueber-randstad/presse/unternehmensfuehrung/deutsche%20arbeitgeber-unterstuetzung-psyche/
2Weitzel, T., Maier, C., Pflügner, K., Oehlhorn, C., Wirth, C., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Centre of Human Resources Information Systems., & Monster Worldwide Deutschland GmbH. (2020). Generation Z – die Arbeitnehmer von morgen. https://www.unibamberg.de/fileadmin/uni/fakultaeten/wiai_lehrstuehle/isdl/Recruiting Trends_2020/ tudien_2020_05_Generation_Z_Web.pdf
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